7.2.

Im Herbst 1996 wird Peter krank. Er ist lange erkältet, hat einen schlimmen Husten. Er trinkt noch immer täglich seinen Liter Rosé, raucht wie ein Schlot. Da er Angst vor dem Zahnarzt hat, sehen seine wenigen Zähne aus wie mit Kohle gefärbt. Er ist inzwischen 72 Jahre alt. Priska und Tante Hedj bringen ihn schliesslich für einen Untersuch ins Spital. Als er wieder aus der Besprechung kommt, ist er noch schweigsamer als sonst.
Die beiden Frauen wollen wissen, was los ist. Er blickt sie an und meint, ihm bleiben vielleicht noch 2 Monate.

Leberkrebs ist die Diagnose. Peter weiss als einziger, wie er sterben wird. Er sagt es weder Frau, noch Schwägerin und verbietet es auch der Schwester. Er beschliesst, zuhause zu sterben. Die Spitex kommt täglich. Er isst täglich weniger, hat weniger Durst. Seine einst rosige Haut wirkt plötzlich wie Pergament. Er wünscht sich so sehr, Weihnachten noch erleben zu dürfen. Er will seiner Familie das Fest nicht verderben.
Dann wird seine Haut senfgelb, ebenso seine Augen. Einzig seine blauen Augen leuchten noch immer wie früher.
An Weihnachten kommen sie alle ein letztes Mal zusammen: Ursle, ihr neuer Freund Hermann, Desirée, Kiki und Paulina. Sie versammeln sich an Peters Bett. Die Weihnachtsfeier verläuft mit weniger Geschenken als sonst. Die Krippe steht in der Ecke.
Peter kündigt an, mit jedem alleine sprechen zu wollen.
Zuerst ist seine Tochter an der Reihe. Dann Hermann. Später wird er erzählen, dass Peter ihm aufgetragen hat, bis zum Schluss für Ursle zu sorgen.
Kiki ist sichtlich bewegt, als der Grossvater sie empfängt. Er streichelt ihre Hand und sagt, dass er sich um sie als einzige keine Sorgen macht. Was auch immer sie tun wird, es wird gelingen. Doch dann wird sein Blick ernst.
„Du musst deinen Vater bitten, dass er mir alles verzeiht, was ich ihm in Wut an den Kopf geworfen habe. Ich hasse ihn nicht. Ich trage ihm nichts nach. Das musst du machen. Sonst kann ich nicht gehen.“
Kiki verspricht es ihm weinend.
Desirée, seine Lieblingsenkelin, umarmt er. Er bittet sie, so zu bleiben wie sie ist.

Kiki geht am nächsten Tag zu ihrem Vater. Er füttert gerade seine Kaninchen. Sie erzählt ihm, worum Peter sie gebeten hat. Der Vater nickt, stumm, mit Tränen in den Augen.
„Sag ihm, ich verzeihe ihm. Es ist alles vergessen und vergeben.“
Zehn Tage später ist es soweit. Peter stirbt.
Sein Todeskampf dauert nicht lange. Er weiss, dass er langsam sterben, ertrinken würde. Das Morphium hilft ihm. Er bekommt keine Luft mehr. Punkt acht Uhr, am 7. Januar 1997 macht er seinen letzten Atemzug, gehalten von Priska, die ihm alles vergeben hat.

Als Peter stirbt, spürt Kiki einen Stich. Die Mutter ruft sie im Geschäft an. Kiki ist traurig und gleichzeitig erleichtert. Der Grossvater muss nicht mehr leiden. Ein paar Tage später ist die Beerdigung.
In Lichtensteig, im Toggenburg, treffen sie sich alle. Ursle, Priska, sehr gefasst, Desirée und Peters Musikerkollegen. Gemeinsam begleiten sie den schmalen kleinen Sarg, der geschmückt ist mit billigen Blumen aus goldig bedrucktem Karton. Es hängen keine grossen Kränze, keine Blumenmeere. Desirée und Kiki weinen. Ursle erträgt das kaum. Sie schimpft mit ihren Töchtern, die sich so gehen lassen. Die beiden Schwestern halten sich an den Händen. Der Grossvater ist tot. Er wird nicht mehr wiederkehren.
Die Schwester, ihre Mutter und die Grossmutter laufen hinter dem Sarg her. Dann wird der Grossvater in seinem Sarg in die Erde eingelassen. In derselben Erde, auf dem gleichen Friedhof liegen schon seine Mutter, sein Vater und seine Stiefmutter.

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